»Aus welchem Grund hast du uns in diese fremde Welt gerufen?«, fragt Iskaii ungläubig und mit einem Unterton in der Stimme, der mir gar nicht gefällt.
»Weihnachtsgrüße«, werfe ich ihm und den beiden anderen Protas ein einziges Wort an den Kopf.
»Aus welchem Grund?«, knurrt Antry.
Ich verdrehe die Augen. Sind die wirklich so blöd?
»Weihnachtsgrü- ...«
»Das habe ich verstanden«, unterbricht mich der Krieger wütend und fügt hinzu: »Ich wollte wissen, warum wir Weihnachtsgrüße schicken sollen? Wurde dir die Hand abgerissen?« Skeptisch wandert sein Blick zu meinen Händen, um zu sehen, ob sie noch da und die Finger beweglich sind. Und wie beweglich sie sind. Ich zeige ihm mit einem galanten Lächeln direkt beide Mittelfinger.
»Was ist denn euer Problem? Was ist so schwer daran, einfach mal ein paar Weihnachtsgrüße zu schicken?«
»Einfach mal.« Iskaii lacht rau. »Weil bei dir und mit dir immer alles einfach mal ist. Ich kann die Narben an meinem Körper gar nicht zählen, die durch dein einfach mal entstanden sind.«
»Spiel nicht die Dramaqueen, Iskaii«, beginne ich, doch sein Stirnrunzeln verrät mir, dass er mal wieder nicht weiß, wovon ich rede. »Hör auf, so überzureagieren«, korrigiere ich mich und sein Blick verdüstert sich. »Das sind doch nur Stift und Papier. Was glaubst du, was damit schief gehen kann?«
»Ich könnte ihn mit beidem Umbringen«, kommentiert Antry und ich starre ihn schockiert an.
»Was ist los mit dir?!«
»Diese Frage solltest du besser beantworten können«, wirft Dandelia ein, die bisher schweigend auf dem Sofa gesessen hat und nun aufgestanden ist, um sich die Karten auf dem Esstisch anzusehen.
»Ja, ja, schon klar. Das war rhetorisch. Und jetzt hört auf mit den Todesblicken«, schnauze ich die beiden Männer an und bin froh, dass ich die Regel »Alle Waffen im Schirmständer an der Haustür lassen« eingeführt habe. Ich hätte allerdings nicht erwartet, dass sich dort ein solches Waffenarsenal ansammelt. In Anbetracht der Cemetery Story von Schildmaid und mir, aber vielleicht verständlich. Immer noch besser als das Blutbad, das sonst mein Wohnzimmer schmücken würde.
»Glaubst du wirklich, ich brauche Waffen, um diesen Hund zu töten?« Iskaii schnaubt. »Ich bin die Waffe.«
»Wirklich?« Es kostet mich viel Selbstbeherrschung, nicht in mein Arbeitszimmer zu gehen und zwei kleine Änderungen in Band zwei vorzunehmen, um die beiden Männer endgültig zum Schweigen zu bringen. Ich höre ein tiefes Knurren und sehe, dass Antrys Körper angespannt ist. Seine fast schwarzen Augen fixieren Iskaii.
»Hey! Lasst die Alpha-Männchen Scheiße oder ich breche euch mit einem Fingertipp das Genick und aus der Trilogie wird eine Dilogie. Verstanden?« Genervt hole ich tief Luft und beschließe, in Zukunft nur noch Nerds und Weicheier zu erschaffen.
»Wo ist der Federkiel?«, fragt Dandelia vom Tisch aus und starrt ratlos auf die auf dem Tisch verteilten Utensilien.
»Nimm einfach einen der Stifte«, erkläre ich und deute auf die vielen bunten Stifte, die überall auf der Tischplatte verstreut liegen.
»Was? Ich will lediglich meine Aufgabe erfüllen und zurück in meine Welt. Gib mir das Federkiel und dann kannst du mit den beiden machen, was du willst.«
Ich drohe den Männern noch einmal mit erhobenem Zeigefinger, als wären sie zwei ungezogene Kinder, und gehe zu Dandelia. Dann nehme ich einen goldenen Gelstift, nehme die Kappe ab und zeichne wilde Muster auf ein weißes Blatt.
»Siehst du? Das funktioniert wie ein Federkiel. Nur viel einfacher.«
Ihre eisblauen Augen folgen den Linien, die das schimmernde Gold auf dem Papier hinterlässt, dann greift sie nach einem grünen Stift, legt ihn gleich wieder weg, weil sie einen blauen entdeckt hat, und plötzlich hat sie einen silbernen in der Hand. Das kann ja lustig werden. Ob wir vor Weihnachten noch fertig werden?
»Was ist mit euch, Jungs? Wenn ihr mit dem Glotzen fertig seid, könntet ihr auch langsam anfangen.« Ich mache eine Pause und lege den Kopf schief. »Ihr könnt doch schreiben, oder?«
Sofort heften sich zwei Augenpaare auf mich. Grimmig. Tödlich.
»Gut, dann beweist es und legt los.« Ich mustere die Männer und beschließe hinzuzufügen: »Und wehe dem, der auch nur eine Drohung oder Beleidigung auf die Karte schreibt. Dann schreibt ihr alles neu. In Schönschrift.«
Knurren und Murren geht von den Kriegern aus, und schließlich sagt Antry: »Gib mir etwas Hochprozentiges, dann schreibe ich diese verdammten Grüße.«
Ich zucke mit den Schultern. Damit kann ich leben.
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